Sonntag, 14. August 2011

Vanished into a thick mist of change – Abflug und andere Katastrophen


Der Tag der Tage war endlich da, Donnerstag, der 11. August 2011. Zu unheiliger Stunde (3:30 Uhr morgens) stand ich auf, trank meine letzte Tasse guten, schwarzen Tee und packte meinen letzten Kram zusammen, bevor meine Mutter mich dann zum Flughafen Münster-Osnabrück fuhr. So weit, so gut. Doch dann fing das Drama schon an.
Es brauchte ganze vier Angestellte von AirBerlin um festzustellen, dass ich als Inhaber eines J-1 Visums keine ESTA-Registrierung benötigte (die mich ca. 35€ gekostet hätte und für die ich dort an Ort und Stelle eine Notfall-Eil-Hotline anrufen sollte), um in die USA einzureisen. Und für meinen zweiten Koffer musste ich natürlich 50€ extra bezahlen (ich frag mich aber echt, wie die erwarten, dass man mit einem Koffer hinkommt, wenn man für 10 Monate in ein anderes Land reist), aber wenigstens hatte ich exzellent gepackt: beide Koffer wogen 22,5 kg bei einem Limit von 23kg. Das ganze Um- und Auspacken hatte sich also gelohnt.



Mein erster Flieger nach Berlin hob dann auch sogar pünktlich ab, und nachdem ich meine Tränen getrocknet hatte, die ich beim Anblick meiner einsamen Mutter auf der Aussichtsplattform an einem grauen Donnerstagmorgen in Norddeutschland nicht zurückhalten konnte, war ich sogar endlich freudig aufgeregt und optimistisch, dass jetzt alles gut gehen würde…

In Berlin Tegel stellte ich mich dann schön in die Schlange am Gate B20, um meinen Flug nach Miami zu nehmen, nur um dann – wie schon Einige vor mir – noch einmal zum Check-In Schalter geschickt zu werden, wo ich noch zwei „Carry-on“ Schilder für mein Handgepäck ausgehändigt bekam. Zurück in die Schlange an B20 und durch eine weitere Sicherheitskontrolle – die im übrigen alle gar kein Problem waren – und dann saß ich in der winzigsten Abflughalle aller Zeiten und wartete auf meinen Flieger. Ich nutzte die Gelegenheit um ein letztes Mal kostenfrei ein paar SMS zu verschicken, bevor ich deutschen Boden verließ, und versuchte mich am Sudoku-Rätsel in der Berliner Morgenpost, das auf einem Stuhl herumlag. Ich konnte es nicht lösen, aber ich hab’s auch lieber mal nicht mitgenommen, es hätte mich auf dem Flug bestimmt in den Wahnsinn getrieben.

Als ich dann endlich im Airbus 330 nach Miami saß – neben mir ein afro-amerikanischer Soldat, der wegen eines „family emergency“ für vier Tage nach Florida zurückmusste – fiel mir ein, dass ich an den Schlössern meiner Koffer gar nicht die Nummern verdreht hatte, sondern sie beide auf der dreistelligen Kombination hatte stehen lassen, die ich eingestellt hatte. Das sollte sich noch rächen…

Im Bordprogramm lief „The King’s Speech“, „Wie werde ich ihn los in 10 Tagen“ und „Little Fockers“… da hab ich mich lieber auf’s Ohr gehauen, denn ersteren hatte ich schon gesehen und letztere wollte ich nicht sehen. Das Essen war erträglich, auch wenn ich mehr davon hätte gebrauchen können, denn Frühstück hatte ich um 3:30 Uhr mal ausfallen lassen.
Gottseidank war ich aber hellwach als ich feststellte, dass mir die Stewardess zwar ein Zollformular, aber nicht das Formular I-94 gegeben hatte, dass ich als Visums-Inhaber zur Einreise und zur Registrierung an der Uni brauchte. Also ließ ich mir das eine halbe Stunde vor Landung noch aushändigen.
Wegen starker Gegenwinde kamen wir mit einer halben Stunde Verspätung in Miami an und obwohl mich die nette Angestellte von FMO extra nach vorne in den Flieger gesetzt hatte, damit ich schnell raus konnte um zur Passkontrolle zu kommen, lohnte sich das leider gar nicht.

Als ich bei der Passkontrolle ankam, waren schon mindestens die gesamten Passagiere einer anderen Maschine vor mir in Schlangen aufgereiht. Ein junger Mann hinter mir sagte noch: „Beim letzten Mal war die Schlange halb so lang und es hat eine Stunde gedauert.“ Ich bekam Magengrummeln, denn ich hatte nicht mal mehr zwei Stunden, bis mein Flieger nach Atlanta gehen sollte (dachte ich zumindest), und durch den Zoll musste ich ja auch noch! Ich hatte die vage Hoffnung, dass vielleicht jemand die Schlangen sortieren würde und die Menschen mit Anschlussflügen nach vorne rufen würde, aber dies geschah nicht.
Stattdessen fühlte sich ausgerechnet der Kontrollbeamte, der meine Schlange bediente, dazu berufen, seinen Posten zu verlassen und die Wartenden in unserer Schlange zu ermahnen keine Handys zu benutzen (O-Ton: „Sir, if I catch with that one more time, I will call security!“) und sich geordnet hintereinander zu stellen, um den Weg nicht zu blockieren. Selbst als er dann wieder auf seinem Stuhl saß, warf er immer wieder böse Blicke die Schlange entlang und gestikulierte zu Menschen, die „aus der Reihe tanzten“.
Na super, dachte ich, da stehst du ja mal wieder in der richtigen Schlange, nur für Traktoren und Mähdrescher!

Aber als ich dann endlich dran war, war der Kontrollbeamte doch ganz nett. Er hat selber mal Filmproduktion in Kalifornien studiert und in North Hollywood gearbeitet und empfahl mir für meine Master-Arbeit über Arztserien mich auf jeden Fall mit „Grey’s Anatomy“ zu beschäftigten (ja, nee, war klar!). Wie es dazu kam, dass er nun bei der Border Patrol arbeite, fragte ich ihn lieber nicht, sondern spurtete Richtung Gepäckausgabe, um mit meinen Koffern (sie waren beide da! und sahen schon etwas mitgenommen aus.) zum Zoll zu hechten.

Eine Zollkontrolle fand dann gar nicht statt. Ich händigte einem Beamten meinen blauen Zettel aus, auf dem ich nicht mal die zwei Tafeln Schokolade, die ich für einen Freund dabei hatte, angegeben hatte und schon war ich fertig. Und ich hatte noch eine halbe Stunde bis mein nächster Flieger ging. Das Bodenpersonal sagte mir allerdings, dass ich mich  nicht in die Schlange für „missed connections“ stellen sollte, denn mein Flieger sei ja noch nicht weg. Nein, ich sollte in den 2. Stock fahren und dann Richtung „Concourse D“ laufen.
Concourse D war einen Fußmarsch von zehn Minuten von meinem Ankunftsterminal entfernt und um dort hinzugelangen, musste ich mit meinen beiden riesigen Koffern draußen in der schwülen Hitze von Miami einen hölzernen Steg entlanglaufen, denn es wurde gerade gebaut.
Fun! Not!

Als ich dann endlich am Schalter von American Airlines angekommen war, schaute Angestellter Erick mich an und sagte: „That flight closed five minutes ago, sweetheart!“
Er sagte wirklich „sweetheart“, ich weiß es genau, und das, obwohl er nicht mehr als 5 Jahre älter sein konnte als ich. Ich war in Amerika angekommen, soviel war schon mal klar.
Er bot mir also an, mich für einen späteren Flug auf Stand-by zu setzen und tippelte dann eine Weile in seinem Computer herum.
Schließlich sagte er: „Kein Wunder, dass ich dich nicht finden kann. Du bist auf den Flieger für morgen gebucht!“

Es traf mich wie ein Schlag. Wie konnte das denn sein? Auf meinem Ausdruck stand doch „Time between flights: 2:05 hours.“ Aber darunter stand eindeutig: Freitag, 12. August.
Das konnte doch nur ein Fehler sein. Oder eben genau die Erklärung, warum mein Flug so viel günstiger war, als all die anderen, dich ich im Internet gefunden hatte.
Erick suchte eine Weile herum, rief einen Supervisor an und erklärte mir dann, dass es für mich günstiger wäre, ein komplett neues Ticket zu kaufen, als eine Umbuchung vorzunehmen. Das würde mich dann 220 Dollar kosten, aber ich könnte am selben Abend noch nach Atlanta fliegen.
Alternativ könnte ich bis nach Mitternacht warten und für 50 Dollar auf Stand-by für alle Flüge nach Atlanta am Freitag, den 12. August stehen. Aber das wäre keine Garantie, dass ich dann auch einen Platz auf einem dieser Flüge bekäme und Mitternacht war noch sieben Stunden hin.
Ich entschied mich zähneknirschend für das neue Ticket für 220 Dollar, dankte ihm ausdrücklich für seine nette Hilfe und stellte mich dann in die Schlange zur TSA-Sicherheitskontrolle, die angeblich sehr streng und intensiv sein sollte.

Das war sie nicht. Ich musste zwar zum erstem Mal meine Schuhe ausziehen, aber ich wurde weder begrabbelt noch waren die Augentropfen oder die kleine Tube Handcreme in meinem Handgepäck ein Problem. Und als ich die Aufforderung einer TSA-Beamtin an eine andere Passagierin auf mich bezog und mich höflichst entschuldigte, war diese Beamtin sehr nett zu mir und sagte mir dreimal, dass ich nicht gemeint war, und dass bei mir alles in Ordnung sei und ich solle einen schönen Tag haben. Und nein, meinen Laptop musste ich auch hier nicht hochfahren, dem Himmel sei’s gedankt, denn der macht ja nicht immer das, was man ihm sagt.

Im Terminal kaufte ich mir dann erstmal ein Stück fettige Pepperoni-Pizza und eine Cola, weil ich erstens Hunger hatte und zweitens Kleingeld brauchte, um in Atlanta bescheid zu sagen, dass ich erst zweieinhalb Stunden später eintreffen würde. Ich kann nur sagen: amerikanische „pay phones“ sind sehr verwirrend. Es brauchte ca. zehn Versuche, bis ich checkte, dass ich noch eine 1 vorwählen musste, wenn ich außerhalb der Miami Gegend telefonieren wollte. Leider erreichte ich Sue, eine Freiwillige, die mich in Atlanta am Flughafen abholen sollte, nicht persönlich und konnte ihr nur eine Nachricht hinterlassen. Dafür erreichte ich Chris, bei dem ich die ersten zwei Nächte übernachten wollte, und bat ihn, es noch mal bei Sue zu versuchen.

Als ich dann endlich, endlich, nach fast 24 Stunden Reise in Atlanta ankam, war Sue nirgends zu sehen. Sie hätte mich an der Gepäckausgabe treffen wollen, aber die Gepäckausgabe in Atlanta ist über zwei Stockwerke verteilt und beim größten Flughafen der USA verständlicherweise sehr unübersichtlich. Ich wanderte eine Weile ziellos herum und suchte sie, versuchte dann noch einmal Kleingeld für ein Telefonat zu bekommen, aber der Automat, der einem Dollar-Noten in Münzen wechselt, wollte nicht funktionieren. Ich war müde und hungrig und kein bisschen freudig mehr, dass ich jetzt in Atlanta war, und so gab ich auf und nahm mir ein Taxi. Das war zwar teuer, aber ich konnte mich kaum noch wach halten, also war es mir egal.

Der Taxifahrer war sehr nett (obwohl er wohl ein bisschen sauer war, dass ich ihm nicht mehr Trinkgeld gab, aber ich bezahlte mit Kreditkarte und das war alles sehr kompliziert und ich hatte schon 220 Dollar extra ausgegeben, also war mir das egal) und brachte mich direkt bis zu Chris vor die Haustür. Chris war dann der rettende Engel für mich. Ich kannte ihn ja vorher gar nicht. Er war der High School Freund eines Freundes von mir, den ich wiederum auch nur über das Internet kannte, aber diese Geschichte nahm keine Horror-Ende. Im Gegenteil, sogar Chris’ Katze Beauty war gastfreundlich und schlief gleich in der ersten Nacht auf meinen Beinen.

Aber noch war es nicht so weit, ich hatte erst noch einen weiteren Schock zu verdauen. Als ich meine Koffer aufmachen wollte, um Chris die beiden mitgebrachten Tafeln Schokolade zu geben, stellte ich fest, dass ich einen Koffer nicht öffnen konnte. Die Kombination, die ich eingestellt hatte, funktionierte nicht mehr. Ein kleines Stück Klebeband am Schloss signalisierte mir aber, dass die TSA (Transportation Security Administration) dieses Schloss geöffnet hatte. Und dabei hatten sie wohl aus Versehen die Kombination verstellt, denn wie gesagt hatte ich die Nummern nicht verdreht. Wir versuchten, mit einer Büroklammer das Schloss aufzubekommen, aber das funktionierte nicht. Zwei andere Optionen fielen uns noch ein: entweder mit dem Koffer wieder zum Flughafen fahren, dort irgendwie beweisen, dass es mein Koffer war, und die TSA bitten, den Koffer mit ihrem Generalschlüssel zu öffnen, oder einen Schlüsseldienst anrufen, der das Schloss aufbrach, natürlich für ein gehöriges Honorar.
Ansonsten hätte ich noch den Koffer aufschneiden können oder eben alle 999 (1000 minus meine Start-Kombination, von der ich wusste, dass es sie nicht war) durchprobieren.
Ich verschob die Entscheidung auf Freitag, denn der Koffer, den ich öffnen konnte, enthielt den Ordner mit all meinen Dokumenten, meine Kosmetika und genug Klamotten für die nächsten paar Tage.

Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, dass ich sofort einschlief, als ich mich aufs Sofa legte, dann hätte ich wohl noch ein wenig geweint, ob dieser Strapazen. Aber ich sagte mir, dass ich einfach nur Schlaf brauchte, um wieder Energie zu tanken, und dass ich schon eine Lösung finden würde. Trotzdem war mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen: „America, why do you have to be so cruel to me?“

…to be continued…




3 Kommentare:

  1. Na da hast du doch aber Karma für deinen gesamten Aufenthalt schon im Voraus bezahlt! Kann also nur noch besser werden, sweetie :)))

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  2. Sweetie, I already tried to post another comment here but for some weird reason it didn't work.
    So... I'm glad to hear you arrived safely in spite of all the problems on the way. Thanks for the heads up on the TSA procedure. That really helps!
    Also - why is there no photo of the kitty?

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  3. I am afraid I forgot to take a picture of Chris' kitty. But there are some on his Facebook account. And I am sure I will see her again, so I will take a picture then.

    More news (and pics of apartment) coming later today!

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