Freitag, 13. Januar 2012

Oh, My Sweet (South) Carolina - Festtage an der Atlantikküste


Schon Monate bevor überhaupt feststand, ob ich nach Amerika würde gehen können, war Eines ganz klar geplant: das Weihnachtsfest würde ich mit meiner Freundin Beth bei ihrer Mutter in Charleston, South Carolina verbringen. Im Oktober 2010, als ich mich in den Bewerbungsdschungel für einen weiteren Amerika-Austausch wagte, war das beschlossene Sache. Ich wollte von Anfang an sicher gehen, dass ich an meinem liebsten Feiertag im Jahr nicht alleine auf der Couch sitze und von Heimweh geplagt würde und Beth war auch gleich von der Idee begeistert, eine "exotische Fremde" am Festtisch zu haben.
Wie exotisch man in diesem Land auch als Deutsche ist, war mir vor meiner "Rückkehr" in die Staaten nicht mehr bewusst, aber mittlerweile weiß ich es wieder.

So kam es also, dass ich mich am 24. Dezember auf den Weg zum Flughafen in Atlanta machte, im Gepäck einen prall gefüllten Koffer (21 kg), auf dem Kopf eine Nikolausmütze und gekleidet in einen Weihnachtspullover. Das lässt sich der Weihnachtsschlumpf ja nun nicht nehmen.
An der Sicherheitskontrolle wurde mir gleich vorgeworfen, dass ich "viel zu fröhlich" ("way too happy") sei, doch als ich dann meinen deutschen Pass hervorholte, sagte der Sicherheitsbeamte: "Jetzt versteh ich, für Sie ist ja heute schon Weihnachten. Wir sind in Amerika ja einen Tag zu spät." Damit hatte er natürlich in meinen Augen recht, denn hier in den USA werden erst am 25. Dezember morgens die Geschenke geöffnet.
Der Sicherheitsbeamte, sein Kollege und ich verwickelten uns dann noch in eine Diskussion über den Ursprung von Santa Claus/Weihnachtsmann, und lokalisierten diesen schließlich "irgendwo in Skandinavien". Meine Weihnachtsreise war also schon auf gutem Wege (oder "off to a good start", wie man hier sagt).
Selbst der Mann vom Burger King, der mir bei meinem Zwischenstopp in Charlotte, North Carolina, meinen Burger aushändigte, tat dies mit einem breiten Grinsen und den Worten: "Einen schön verpackten Burger für Mrs. Santa Claus!"
So einfach lassen sich Lächeln in anderer Menschen Gesichter zaubern.

Nun muss ich noch klarstellen, dass ich Beth vor meinem Weihnachtsbesuch noch nie persönlich getroffen hatte, geschweige denn ihre Mutter. Ich kenne Beth von unserer gemeinsamen Aktivität für die amerikanische Popkultur-Seite www.cc2k.us, wo sie Book Editor ist und ich TV Editor bin. Seit ein paar Jahren pflegen wir aber eine elektronische Brieffreundschaft (unsere Emails haben Rekordlänge), bei der wir immer wieder feststellen, dass wir viel gemeinsam haben. Sobald ich in den Staaten angekommen war, telefonierten wir auch ab und an.
Trotzdem hatten wir keinerlei Schwierigkeiten, uns am Flughafen zu erkennen. Ihr war auch sofort klar, dass ich nur "the girl with the Santa hat" sein konnte.

Beth's Mutter Diane war erst im Sommer von Pittsburgh nach Charleston gezogen, wegen des warmen Wetters und um ein bißchen Abstand von dem Rest der Familie in Pittsburgh zu haben. Ihr Condo (also ihre Eigentumswohnung in einem großen Areal von Reihenhäusern) war modern und bis in die letzte Ecke mit Wiehnachtsdeko vollgestopft. Ein voll dekorierter Kunstbaum mit blinkendem Engel, eine künstliche Lichtergirlande über dem Kamin, Stockings (Nikolausstiefel) am Kamin, ein halbes Dutzend Teddybären in Weihnachtskleidung, ein künstlicher Adventskranz an der Tür, ein künstlicher Adventskranz auf der Küchentheke...
Die Wohnung schrie: "ES IST WEIHNACHTEN!" und ich fand's großartig.
Ganz davon zu schweigen, dass sich unter dem Baum eine Ansammlung an Geschenken befand, die eine Großfamilie hätte zum Weinen bringen können, und da waren die Geschenke, die ich mitgebracht hatte, noch nicht mal dabei!

Die Bescherung am nächsten Morgen war ein voller Erfolg. Ich hatte ja ein wenig auf gut Glück einkaufen müssen, da ich weder Beth noch Diane persönlich kannte, aber meine Geschenke kamen sehr gut an.
Ich wurde auch reich beschenkt, vor allem mit Bodylotions, Duftsprays, Cremes und Beauty-Produkten, denn ich hatte um Geschenke gebeten, die ich verbrauchen kann und nicht wieder mit nach Deutschland nehmen muss.
Beth hatte es sich aber nicht nehmen lassen, mir eine Kapuzenjacke mit großem "Washington D.C." Schriftzug zu besorgen (da lebt sie) und mir einen Kalender zu schenken mit dem viel sagenden Titel "365 Dinge, die man an Amerika lieben muss". Ja, auch Beth war aufgefallen, dass ich doch den ein oder anderen Kritikpunkt am öffentlichen Leben der Amerikaner habe...
Aber Beth ist gottseidank selbst eine sehr kritische Person und das Geschenk war ein Augenzwinkern, kein moralisches Statement.

In den nächsten Tagen unternahmen wir dann mal Dies und mal Das. Beth und ich fuhren in die Shopping-Mall und gingen dann in einen "Feel-Good-Movie", also einen Kinofilm, der nicht den höchsten künstlerischen Anspruch hat, aber der einen aufheitert und was für die ganze Familie ist (wir sahen "We Bought A Zoo" mit Matt Damon und Scarlett Johannson. Angucken, wenn er in Deutschland rauskommt! SCHÖN!).
Dann entführten wir Diane nach Downtown Charleston, also in die Innenstadt, bzw. was man in den meisten deutschen Städten wohl "Altstadt" nennen würde. Obwohl sie seit mehr als sechs Monaten in Charleston wohnte, war sie nach Downtown noch nie gekommen. So ist eben das amerikanische Leben strukturiert. Wenn man es in die umliegenden Shopping-Malls oder in den Walmart schafft, dann ist man versorgt.
(Es kommt außerdem hinzu, dass Diane eine kleine Insterstate-Phobie hat, und leider kommt man in Charleston nirgendwo hin, wenn man nicht Interstate, also Bundesstraße, fährt).
Im Stadtkern angekommen sah ich endlich, worauf ich gewartet hatte: typische Häuser im Südstaaten-Stil, eins schöner als das andere. Das Wetter war erfreulich, purer Sonnenschein, nur ein bißchen kalter Wind. Wir buchten eine einstündige Kutschentour durch Charleston und machten uns dann auf die Suche nach einem Restaurant für ein Mittagessen.
Für meine Familie wäre der resultierende "Spaziergang" durch Downtown ein Klacks gewesen, aber die Amerikaner sind Laufen ja meist nicht gewöhnt, schon gar nicht, wenn sie Hunger haben... so bahnte sich fast eine Krise an, bevor wir dann doch endlich ein Etablissement fanden, das Allen zusagte.
Die Kutschentour war dann wunderbar und auch sehr informativ. Ich machte Fotos wie wild, besonders auch, weil ich ja weiß wie sehr meine Mugi (Mutter) auf die amerikanische Atlantikküste, die Häuser, den Strand und alles weitere steht.

Ein paar Tage später schafften Beth und ich es dann auch tatsächlich bis an den Atlantikstrand auf der Isle of Palms, etwas außerhalb von Charleston. Das Wetter war wunderbar, Sonnenschein pur, und sogar das Parken war in der Nebensaison umsonst. Wie mir von meiner Mutter aufgetragen, machten wir Fotos am Strand und ich spuckte in den Atlantik, auch wenn ich davon absah, meine Füße hinein zu tauchen. Meinen Muschelsammeltrieb konnte ich allerdings nicht bändigen.


Und dann war es auch schon Zeit für Silvester. Zusammen mit Beth's Freund Ben, der extra aus Virginia gekommen war, fuhren wir wieder nach Downtown, aßen erst gemütlich Dinner und machten uns dann auf den Weg in ein Etablissement namens "Chucktown Tavern", denn dort gab es Karaoke! Das Personal dort war so herzlich und einladend, dass man sich gleich zu Hause fühlte und ich bin davon überzeugt, dass man dort spätestens nach drei Besuchen mit Namen begrüßt wird. Sogar die Besitzerin sang ein Lied für ihre Gäste (sie steht sonst in der Küche) und um Mitternacht gab es für alle Sekt umsonst und Tröten, Hüte und Tischfeuerwerk auf's Haus.
So ließ sich das neue Jahr hervorragend einläuten!

Fazit: dank gastfreundlicher und offenherziger Menschen war mein Weihnachtsfest und Jahreswechsel unvergesslich. Auch wenn ich so ganz nebenbei all meine "Deutschländer", besonders meine Familie, natürlich schon sehr vermisst habe. Nächstes Jahr gibt's wieder echte Tannen als Weihnachtsbaum und eingefrorene Finger beim Silvesterknaller anstecken!

Hier eine laaange Slideshow mit einer Auswahl an Bildern aus Charleston. Enjoy!










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